Dietrich Bonhoeffer 1906 - 1945
Erinnerung zum 75. Todestag

Dietrich Bonhoeffer stammte aus einem angesehenen Bürgerhaus. In den Familien seiner Eltern gab es bedeutende Naturwissenschaftler, Mediziner, Juristen, Politiker und Künstler. Selbstlosigkeit, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft waren Tugenden eines lebendigen Glaubens, den vor allem seine Mutter förderte. Bonhoeffers Mutter ermunterte die Kinder früh zum Lesen der Bibel. Der christliche Glaube sollte ein lebendiger Glaube sein, bei dem es um eine persönliche, das Leben verändernde Begegnung mit Jesus Christus ging. Dietrich hatte diese große Liebe zu Gott und eine starke Verbindung zu Jesus. Im Tiefsten war der begnadete Theologe vor allem ein Mensch, dessen Herz für Gott schlug und der spürte, dass der Auferstandene ihn durch alles, was auf ihn zukommen sollte, begleiten würde. Seine Mutter ermutigte ihren Sohn, der bereits als 24-jähriger sein Theologiestudium mit der Habilitation abschloss, ausdrücklich bei seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus.

Schon bei der Machtergreifung Hitlers warnte der lutherische Pfarrer weitsichtig und mutig vor dem "Ver-Führer". Aussagen wie: "Es gibt vor Gott kein unwertes Leben; denn das Leben selbst ist von Gott wertgehalten" und "Heute gibt es wieder Bösewichter und Heilige, und zwar in aller Öffentlichkeit" oder "Gehorsam folgt blind, Freiheit hat offene Augen", weckten die Aufmerksamkeit der NS-Funktionäre. Bonhoeffer war Mitglied der Bekennenden Kirche und von 1935 an Leiter des Predigerseminars der "Bekennenden Kirche" in Zingst und Finkenwalde bei Stettin. Ab 1940 wurde der brillante Theologe und beeindruckende Redner mit Rede- und Schreibverbot belegt. 1943 erfolgte seine Verhaftung wegen Beteiligung am Widerstand gegen Adolf Hitler und am 9. April 1945 wurde er im KZ Flossenbürg hingerichtet. Bis zu seinem Ende war Bonhoeffer ein mutiger Zeuge des Evangeliums und demütiger Diener seiner Kirche. Kurz vor seiner Hinrichtung hat er einem Mitgefangenen zugeraunt: "Das ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens."

 

Gedichte von Dietrich Bonhoeffer

Von guten Mächten

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.


Geschrieben in einem Brief an Maria von Wedemeyer
aus dem Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts
in Berlin, Prinz-Albrecht-Straße,
19. Dezember 1944.

Wer bin ich?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest,
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich. Dein bin ich, o Gott!

 

Fotos v.o.n.u.:
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