Schaut her, es ist lebendig!

Die Menschen zögern, die Vorstellung von einer abstrakten und negativen Gottheit zugunsten der Vorstellung von einem lebendigen Gott aufzugeben. Das wundert mich nicht. Der Gott der Pantheisten tut nichts und verlangt nichts. Wenn man ihn wünscht, ist er da, so wie ein Buch auf dem Bücherbrett. Er verfolgt mich nicht. Es besteht auch nicht die Gefahr, dass Himmel und Erde irgendwann einmal vor seinem Angesicht fliehen. Wenn er der wahre Gott wäre, könnten wir mit Recht behaupten, dass alle christlichen Bilder von einer Königsherrschaft historische Zufälle seien, von denen unsere Religion unbedingt gereinigt werden sollte. Mit Erschrecken stellen wir jedoch fest, dass diese Bilder unentbehrlich sind. Einen solchen Schrecken haben wir schon einmal erlebt, bei kleineren Anlässen, etwa, als irgend etwas in der Dunkelheit neben uns atmete. So auch hier: Der Schock überfällt uns in dem Augenblick, da an der Schnur, an der entlang wir uns vorwärts tasteten, jemand zieht. Es ist erschreckend, dort Leben anzutreffen, wo wir allein zu sein glaubten.
"Schaut her!", rufen wir aus, "es ist lebendig!" Und deshalb ziehen sich gerade hier so viele zurück - ich selbst hätte es auch getan, wenn ich es gekonnt hätte - und dringen nicht weiter in den christlichen Glauben ein. Ein "unpersönlicher" Gott - schön und gut. Ein subjektiver Gott der Schönheit, Wahrheit und Güte in unseren eigenen Köpfen noch besser. Eine gestaltlose Lebenskraft, die uns durchwallt, eine ungeheure Macht, die wir anzapfen können - am besten von allem. Aber Gott selbst, der lebendige, der am anderen Ende der Schnur zieht, der sich vielleicht mit ungeheurer Geschwindigkeit nähert, der Jäger, König, Bräutigam - das ist eine völlig andere Sache. Es kommt der Augenblick, da Kinder beim Räuber spielen plötzlich zusammenzucken: Waren das nicht wirkliche Schritte im Flur?
Es kommt der Augenblick, da Menschen, die in der Religion herumgeplätschert haben ("des Menschen Suche nach Gott!"), sich plötzlich zurückziehen. Angenommen, wir haben ihn wirklich gefunden! Dazu wollten wir es dann doch nicht kommen lassen! Schlimmer noch: Angenommen, er hat uns gefunden?

In seinem Buch "Wunder" geht C. S. Lewis der Frage nach, warum die Menschen lieber Gott suchen, als ihn zu finden. Warum sie lieber bei ihren abstrakten Gottesbildern bleiben, als sich dem lebendigen Gott zuzuwenden.
 

Christus Jesus spricht: Ihr aber sollt mich sehen; denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Johannes 14,19