Wie persönlich darf Gott sein?

Die Mehrzahl der Menschen unserer Welt glaubt an einen Gott. Eine andere Sache ist, ob sie alle an EINEN Gott glauben. Neben den verschiedensten Glaubensrichtungen, die an mehrere verschiedene Götter glauben, ist der Glaube an einen unpersönlichen Weltenlenker weit verbreitet. Das Göttliche in der Natur, im Menschen oder im Leben ganz allgemein, hat besonders in den westlichen Weltanschauungen Einzug gehalten. Dabei hat es den Glauben an die Göttlichkeit von Tieren, bestimmten Personen (z.B. Pharaonen, römische Kaiser) oder an Mischwesen oft ersetzt. Doch wie persönlich waren diese gotthaften Wesen bzw. Erscheinungen? Anders gefragt, mit welchem dieser Götter konnte oder kann man Kontakt aufnehmen? Wer kann sprechen, hören, bewusst handeln und Gefühle empfinden? Wie, wenn überhaupt, kann man sich Gott vorstellen? Das führt uns zur Eingangsfrage zurück: Wie persönlich ist Gott?
Der Gott der Bibel stellt sich als Person vor. Er ist die Hauptperson der Bibel. Dennoch ist es unmöglich, ihn sich vorzustellen. Jede unserer Überlegungen scheitert am Eigentlichen. Er ist weder eine "Megaperson" noch ein "Superindividuum". Als Mose nach dem Namen Gottes fragt (2. Mose 3,13f), bekommt er zur Antwort: "Ich bin, der ich bin." Gott ist der Seiende! Jegliche Vorstellung von ihm muss an diesem "Sein" scheitern. Deshalb verbietet Gott Bilder von ihm: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, …" (2. Mose 20,4). Jedes Bild von ihm würde ihn begrenzen und einschränken.

Im 94. Psalm wird gefragt (Vers 9): "Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen?" Wenn wir diesen Gedanken weiterdenken, dann ergibt sich: Sollte der, der uns als Personen gemacht hat, nicht mindestens selbst eine Person sein? Hören, Sehen, Sprechen, Denken, gezieltes Handeln und Kreativität - alles das macht uns zu persönlichen Individuen. Ich bin überzeugt, dass Gott keinesfalls weniger sein kann, als wir es sind. "Gott sprach: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, …" (1. Mose 1,26). Nur eine Person kann Personen schaffen. Das zu wissen ermöglicht uns zwar keine Vorstellung von Gott, aber es offenbart uns sein göttliches Wesen und dass es möglich ist, mit ihm in Kontakt zu kommen. Wir sind nicht in der Lage, die Personenhaftigkeit des allumfassenden Gottes zu verstehen. Trotzdem ist es richtig - und auch nötig - ihn als Person zu sehen.
In der gesamten Bibel teilt uns Gott seine entscheidende Wesensart mit: die Liebe. Das gipfelt in der Aussage: "… Gott ist Liebe" (1. Joh. 4,8). Er ist eine Person, welche nicht nur liebt, sondern selbst Liebe ist! Auch das ist eine Aussage, für die unser menschliches Verstehen nicht mehr ausreicht. Aber es wird deutlich, dass wir Gott nur als Person verstehen können. Durch seine Liebe können wir mit ihm in Kontakt treten - und er mit uns. Das ist der einzige Zugang zu ihm. Verzichten wir auf diese persönliche Beziehung zu ihm, sind wir ohne Gott. Dann wird er zur Idee. Diese Idee können wir lieben, aber eine Idee kann uns nicht lieben! Wir können sie in unser Leben hineindenken und damit leben, aber sie ist nicht das Leben. Gott, der Vater und der Sohn, hat das Leben in sich. Gott ist das Leben (vgl. Joh. 5,26)!
Ich weiß, dass ich eine Person bin. Deshalb glaube ich auch an einen persönlichen Gott. Einen Gott, den ich nicht definieren kann, denn nur er selbst kann mir offenbaren, wer er ist. Aber einen Gott, den ich erfahren, erleben und eine Beziehung zu ihm haben kann.

Am Anfang des Evangeliums nach Johannes (Joh. 1,1-18) finden wir eine sehr bemerkenswerte Darstellung der Person, von deren Leben, Sterben und Auferstehung uns der Apostel berichtet: Jesus Christus. Zusammengefasst heißt es dort: "… Das Wort (Jesus) war bei Gott, und Gott war das Wort … er ist in die Welt gekommen, … war in der Welt, … kam in sein Eigentum, … wurde Mensch, … wohnte unter uns und wir sahen ihn." In seinem ersten Brief geht Johannes nochmals darauf ein. Als einer, der mit Jesus unterwegs war, schreibt er, dass dieser "zu sehen, zu hören und zu berühren" war (vgl. 1. Joh. 1,1). In Jesus zeigt sich Gott in vollem Umfang persönlich! Völliger Mensch, greifbar und erlebbar, doch auch ganz Gott. Er lebte in unserer - geistlich gesehen - kalten und finsteren Welt. Nicht nur flüchtig und mit Abstand zu allem, was ihm wesensfremd war. Nicht, wie es von anderen "Göttern" berichtet wird, die auf einen kurzen Besuch kamen, um dann wieder in ihren heiteren Himmel zurückzukehren.
Jesus trug die Last dieser Welt! In ihm offenbarte sich Gott als Mensch. Nicht nur in einer Hülle scheinbarer Menschlichkeit, sondern er wurde einer von unsersgleichen. Ein Mensch aus Fleisch und Blut wie wir, um freiwillig schlimmste Leiden durchzumachen. Und letztlich, nach schwerer Schmach, Erniedrigung und Folter, am Kreuz zu sterben, damit wir in ihm Erlösung von unserer Schuld finden können. Kann Gott, kann Liebe, noch persönlicher werden?