Gedanken zu Psalm 24  

Von etwa der Hälfte der uns überlieferten Psalmen wissen wir, dass sie von David verfasst wurden. David lebte rund 1.000 Jahre vor Jesus Christus und war der bedeutendste König Israels. Von ihm wird uns berichtet, dass er ein sehr inniges Verhältnis zu Gott hatte.
Auch in diesem Psalm lobt und preist er Gott. Den Gott, dem Himmel und Erde gehören und alles, was sich darauf und darin befindet. Alles ist sein Eigentum. Er hat das alleinige Anrecht darauf, weil er es mit seinem mächtigen Wort geschaffen hat. Der Schöpfer ist reich, stark und mächtig, aber auch gnädig und barmherzig. Diesen Gott lobt und preist David.
Selbstverständlich, möchte man meinen. Denn offensichtlich war er ein mächtiger und erfolgreicher Mann geworden und erlebte oft Gottes Bewahrung und Segen. Unter seiner Herrschaft hatte Israel die größte Ausdehnung seiner Geschichte. Unter König Davids Führung konnten die Feinde des Landes zurückgedrängt und in Schach gehalten werden. Auch war David ein starker, gut aussehender Mann und nicht zuletzt war er sehr, sehr reich.
Und er war ein Mann Gottes! Gott selbst gibt ihm das erstaunliche Zeugnis, dass er ein Mann nach seinem Herzen war. David hatte also allen Grund, Gott zu loben und zu preisen.
Doch wenn wir uns in der Bibel ausführlicher über ihn informieren, werden wir feststellen, dass es noch eine andere Seite in seinem Leben gab. König David erlebte auch schlimme Not, Verfolgung, Angst und Depressionen. Er erlitt schwere persönliche Niederlagen, familiäres Leid und tiefe Verzweiflung. Er hatte auch fragwürdige Seiten und beging folgenreiche Sünden. Sünden und Verfehlungen, die ihn selbst, aber auch sein Volk, in große Bedrängnis brachten.
Deshalb finde ich die Aussage in den Versen 3 und 4 so bemerkenswert: "Wer darf auf des HERRN Berg gehen, und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? Wer unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist, wer nicht bedacht ist auf Lug und Trug und nicht falsche Eide schwört: …"

Spätestens hier wird dieser Psalm für mich eine persönliche Angelegenheit! Ich möchte sehr gern zu Gott kommen. Ich möchte vor ihm stehen und bestehen können. Vor Gott stehen - an seiner heiligen Stätte - jetzt und in Ewigkeit.
Aber habe ich das Recht dazu? Sind meine Hände wirklich unschuldig und mein Herz rein? War und bin ich nie auf Lug und Trug bedacht? Ist die Wahrheit für mich eine Selbstverständlichkeit und mein Gewissen im Licht des Wortes Gottes rein? Wenn das der Maßstab Gottes ist - und das ist er zweifellos - dann wird es eng für mich! Dann bleibe ich draußen. Dann bleibt die Tür zu seiner heiligen Stätte für mich verschlossen und ich habe kein Recht, zu Gott und seiner wunderbaren Gegenwart zu kommen. Nicht in diesem, und auch nicht im zukünftigen Leben. Und da Gottes Anspruch für alle Menschen gilt, bliebe der Platz vor Gott leer und der Himmel ein menschenleerer Ort. Niemand ist in der Lage, die Bedingungen des heiligen Gottes zu erfüllen. Für uns alle würde dann ein Schild mit der Aufschrift "Zutritt verboten" an der Himmelstür hängen.

Ich bin froh und von Herzen dankbar, dass das nicht Gottes letztes Wort ist! Er selbst hat dafür gesorgt, dass die Tür zu seiner heiligen Stätte geöffnet bleibt. Geöffnet für alle, die zu ihm kommen wollen. Dafür hat er noch ein weiteres Wort gesprochen, und dieses Wort war und ist Jesus Christus! "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort." heißt es im Bericht des Evangelisten Johannes über Jesus gleich im ersten Vers.
Jesus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, hat sein Leben dafür gegeben, damit die Tür zu Gott für uns offen bleibt. Und das letzte Wort, welches Jesus in seinem irdischen Leben gesprochen hat, ist gleichsam das bedeutendste Wort der Geschichte Gottes mit den Menschen: "Es ist vollbracht!" (Johannes 19,30)  Zu seinen Jüngern - und damit auch zu uns - sagt Jesus: "Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe." (Johannes 15,3) 
Von Martin Luther ist folgender Text überliefert: "Mir ist es wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen, den Forderungen Gottes zu genügen. Wenn ich nicht glauben darf, dass Gott mir um Christi willen vergibt, so ist es aus mit mir. Ich muss verzweifeln; aber das lass ich bleiben. Wie Judas an den Baum mich hängen, das tue ich nicht. Ich hänge mich lieber wie die Sünderin an den Hals oder Fuß Christi. Wenn ich auch so schlecht bin wie diese, ich halte meinen Herrn fest. Dann spricht er zum Vater: Dieses Anhängsel muss auch durch. Er hat zwar nichts gehalten und alle deine Gebote übertreten, Vater. Aber er hängt sich an mich. Was will`s! Ich starb auch für ihn. Lass ihn durchschlüpfen! - Das soll mein Glaube sein."

Vielleicht hören oder singen wir in der vor uns liegenden Adventszeit das bekannte Lied "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!" Es wurde im 17. Jahrhundert in Anlehnung an Psalm 24 Vers 7 geschrieben. Dort heißt es unter anderem: "Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein." - Jesus ist dieser ehrwürdige König, von dem David geschrieben hat - und für den die Tore weit und die Türen in der Welt hoch gemacht werden sollen.
Wie oft scheint es mir, dass die Tür zu meinem Herzen für Jesus gar nicht richtig offen steht. Ein wenig, einen kleinen Spalt, gestehe ich ihm zu. Aber ein großer Teil meines Denkens und Handelns ist dem Alltagsleben gewidmet. Natürlich ist das wichtig; keine Frage. Aber welche Rolle spielt Jesus Christus in meiner täglichen Routine? Da ist ganz sicher noch Raum nach oben - im wahren Sinn des Wortes.

In vielen Psalmen, so auch im Psalm 24, kommt das Wort SELA vor. SELA war ein musikalisches Zeichen, eine Anweisung, wie dieser Psalm gesungen werden sollte. Für die Musiker bedeutete es so viel wie "Pause" oder "Innehalten". Deshalb möchte ich es nicht einfach überlesen.
Wäre es nicht auch für mich an der Zeit, innezuhalten in der Betriebsamkeit des Alltags? Mir immer wieder mal eine Pause zu nehmen, in der ich mich ganz bewusst auf Gott und seine Gegenwart einlasse? Das möchte ich lernen! Vielleicht bietet die bevorstehende Advents- und Weihnachtszeit eine besondere Gelegenheit dazu, das Tor meines Herzens offenzuhalten für den Herrn Jesus Christus. Damit dieser einziehen und mich mehr und mehr erfüllen kann.
Ich möchte ihn bitten, dass sein Wort mich ganz neu anrührt und bewegt. Ich bin sicher, es wird mir guttun! Denn auch für mich rief er am Kreuz von Golgatha: "Es ist vollbracht".