Haben wir alle recht?
(Gedanken zu Johannes 14,6)     

Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als die Sache mit der Wahrheit für mich recht einfach war: Entweder etwas ist wahr, oder es ist nicht wahr. Grundsätzlich hatte ich keine Probleme mit der Wahrheit. Entweder, oder! So wurde mir der Ausspruch und Anspruch Jesu: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh. 14,6) zu einem lebendigen Wort, welches mir immer wieder Kraft und Ausrichtung gegeben hat.

Nun sind die Jahre vergangen und irgendwie scheint die Sache mit der Wahrheit nicht mehr so unkompliziert zu sein wie damals. Wahrheit, so heißt es, sei relativ. Sie soll wandelbar sein und jeder müsse seine eigene finden - wenn es denn überhaupt eine gibt. Sogar ein Wissenschaftszweig beschäftigt sich mit der Frage nach Wahrheit. Da drängt sich die Frage auf: Sprechen wir eigentlich von ein und derselben Sache, wenn wir von Wahrheit sprechen?

Ein ehemaliger Chef von mir pflegte in Konfliktsituationen immer zu sagen: "Kinder, ihr habt ja alle recht!". Wie er selbst auch, so wussten wir alle, dass er damit natürlich nicht recht hatte. Trotzdem ist es ihm so immer wieder gelungen, die Lage zu entspannen. Plötzlich schien es gar nicht mehr so wichtig, wer im Recht war. Hauptsache, niemand war im Unrecht.
Irgendwie erinnert mich die Situation unserer Gesellschaft immer wieder an diese paradoxe Auffassung. Es scheint nicht mehr wichtig zu sein, was wahr ist und was nicht. Hauptsache, wir müssen nicht eingestehen, im Unrecht zu sein. Diese Einstellung geht so weit, dass manchmal sogar zwei völlig gegensätzliche Dinge als "gleichwertig und ebenso gültig" bezeichnet werden. Irgendwie komisch, die Sache mit der Wahrheit.

In einem Buch las ich kürzlich ein ebenso originelles wie treffendes Beispiel: Wenn wir auf unserem Kontoauszug feststellen würden, dass sich die Bank zu unseren Ungunsten geirrt hat, würden wir sofort versuchen, den wahren Stand wieder herzustellen. Niemand würde sagen: Die haben ihre Wahrheit, ich habe meine. Wir haben alle recht, also lassen wir es dabei. Die Angelegenheit wäre uns wichtig, das ist der entscheidende Punkt!

Wenn wir versuchen, mit Menschen über die Wahrheit des Wortes Gottes - der Bibel - zu sprechen, kommen wir oft schnell an den Punkt, wo wir merken, dass die Sache mit Gott unseren Gesprächspartner nicht besonders interessiert. Eigentlich will er sogar damit in Ruhe gelassen werden. Schade eigentlich, dass sich so viele Menschen das Beste im Leben entgehen lassen. Für mich bleibt die Angelegenheit von größter Bedeutung und eigentlich auch ganz unkompliziert: Jesus Christus ist die Wahrheit und das Leben - für mich und überhaupt. Ohne Jesus ist Leben nur Existieren, denn was wäre der Mensch ohne Gottes Liebe? Und wer will schon am Leben und der Wahrheit vorbeileben? Jesus ist das Leben - in Wahrheit!

Abbildungen: Privat